Mit dem Giro Rosa in Form gefahren

Der Giro Rosa ist die größte und wichtigste Rundfahrt der Frauen und damit mit der Tour de France der Männer vergleichbar. Und ich hatte die Ehre 10 Tage in Bella Italia an der Seite der weltbesten Fahrerinnen in der Hitze der italienischen Sonne dieses top-organisierte Rennen zu fahren.

Nach 2 äußerst stressigen Wochen zuhause ging meine Reise am 30. Juni nach Slowenien, um mit meinem Team weiter nach Colle Umberto zum Start des Giro Rosa zu fahren. Gesundheitlich stand mein Start nicht unter den besten Sternen, denn bereits seit 2 Wochen kämpfte ich mit einer Verkühlung, hinzukamen muskuläre Probleme und schwarze Ringe zierten meine Augen infolge des Schlafmangels.

Der Giro startete dann am Freitag in Gaiarine mit einem Prolog über 2 km, wo ich den 49. Platz belegte. Auch wenn meine Stärken nicht in kurzen Maximalbelastungen liegen, so war ein 49. Platz doch äußerst ernüchternd.

Am Samstag ging es dann mit der 1. Etappe über 104 km weiter. Entgegen dem flach aussehenden Profil stellte ich die Strecke als hügelig heraus, mit einem sehr steilen (20%), 2km langen Anstieg kurz vor dem Ziel. Als ich in den Anstieg fuhr fühlten sich meine Beine so leer an, dass ich nicht wusste, wie ich raufkommen sollte. So ein komisches Gefühl hatte ich schon lange nicht mehr. So kam ich auch nur mit der 3. Gruppe als 40. ins Ziel. Auch die 2. Etappe mit Start in Tarcento nach Monteras über 111 km sollte noch nicht mein Rennen werden. Nach hügeligen 93 km war den Zielberg nach Monteras 2 Mal zu bewältigen. Nachdem ich das erste Mal noch mit der ersten Gruppe über den Berg kam ließ eine andere Fahrerin in der Abfahrt ein Loch aufgehen, welches ich nicht mehr zufahren konnte und so beendet ich auch diese Etappe nur auf Platz 40 hinter der ersten Gruppe. Nach meinem Gefühl im Training und in den letzten Rennen hatte ich mir doch mehr von diesem Giro erwartet, auch wenn ich mich damit nur in Form fahren wollte.

Nach 3 Tagen im Nordosten Italiens folgte ein 300 km Transfer nach Montagnana, wo die 3. Etappe über 120 km ausgetragen wurde. Dieses Mal erwartet uns tatsächlich eine Flachetappe, die im Massensprint endete. Da ich den ganzen Tag im vorderen Teil des Feldes platziert war, wurde ich kein Opfer der zahlreichen Stürzen, die diese Etappe prägten. Nach einem weiteren 200 km Transfer in den mittleren Norden Italiens folgte am Dienstag erneut eine Flachetappe über knapp 100 km. Die 4. Etappe führte rund um den Lago d’Iseo und endete wieder in einem Massensprint. Nach den 5 Renntagen fühlte ich mich nun (gut erholt) und bereit für die Berge.

Die 5. Etappe führte nun über den berühmt berüchtigten Mortirolo mit einer Länge von 11km und Durchschnittssteigung von rd. 11,5%. Nachdem wir den ersten Kilometer mit Vollgas hineinfuhren, entschied ich für mich das Tempo etwas zurückzuschalten, da ich sonst den Gipfel nicht sehen würde. So fuhr ich mein Tempo den Berg hoch und überholte eine Fahrerin nach der anderen bis ich mich plötzlich in der 2. kleinen Gruppe befand und mit der Europameisterin und Weltmeisterin den Gipfel überquerte. In der technisch anspruchsvollen Abfahrt über 15 km musste ich mich aber dann nach gut 8 km geschlagen geben und meine Gruppe mit Highspeed ziehen lassen. Die schnellste dieser Gruppe belegte den 12. Platz, während ich diese Etappe auf dem sehr zufriedenstellenden 20. Platz beendete. Danach folgte wiederum ein 500 km Transfer nach Andora. Da es an diesem Tag extrem heiß war, wurden diese 5 Stunden in einem nicht-akklimatisierten Kleinbus zur absoluten Quälerei. So war ich nach dem Transfer mehr erschöpft als nach dem Rennen selbst.

Mit der 6. Etappe erwartete uns am Donnerstag die Königsetappe mit 120 km und 2.700 Höhenmetern verteilt auf 4 Berge. Nach der schlechten Regeneration vom Vortag und mit der falschen Kurbel am Rad (unser Mechaniker hat mir ein 172,5 Kurbel montiert, obwohl ich normalerweise 175 fahre) merkte ich aber sehr bald, dass meine Beine nicht dafür bereit waren und ich musste die erste Gruppe am zweiten Berg ziehen lassen. Danach bildete sich ein Grupetto aus gut 30 Fahrerinnen, das allerdings keinen Stress mehr hatte und wir verloren damit bis ins Ziel sehr viel Zeit auf die erste Gruppe, was sich natürlich negativ auf das Gesamtklassement auswirkte. Die Etappe beendete ich auf dem 30. Platz.

Die 7. Etappe war ein Einzelzeitfahren über 21,9 km. Doch typisch für Italien kein flaches EZF, sondern ein bergiges mit einem 9 km Anstieg und einer 6km langen technischen Abfahrt. Unser Team beschloss deshalb das Zeitfahren auf den normalen Straßenrädern zu absolvieren. Leider hatten wir nicht einmal Aufleger am Rad, womit wir in den flachen Teilstücken auch nicht sonderlich aerodynamisch unterwegs waren. Dazu kam, dass ich in der Abfahrt eine Fahrerin einholte und ihr Betreuerauto nicht zur Seite fuhr, weshalb ich auf der schmalen Straße nicht überholen konnte und nochmals Zeit einbußte.  Am Ende schaute für mich der 22. Platz heraus. Nach der 7. Etappe folgte ein 130 km Transfer nach Mailand, wo alle Teams im Holiday Inn Hotel übernachteten.

Die 8. Etappe startete in Rescaldina und führte über knapp 100 km nach Legnano. An diesem Tag merkte ich, dass ich mental doch schon etwas müde war und so versuchte ich mich so gut wie möglich im Feld auszurasten. Die Etappe endete wie erwartet im Massensprint. Danach gab es den nächsten 150 km Transfer nach Verbania. Dort erwartete uns ein nicht klimmatisiertes Hotel und selbst im Sitzen floss der Schweiß, so war auch die Nacht nicht viel besser.

Am Sonntag erfolgte dann der Start zur 9. und letzten Etappe am Lago Maggiore. Wieder erwartete uns einen bergige Etappe, wo zunächst 3 Runden mit je einem 2 km Berg und zum Finale noch ein 5-km Berg zu bewältigen waren. Nach der 2. Runden konnte sich eine Ausreißergruppe, welche für die Gesamtwertung keine Gefahr darstellte, absetzten. Ich konnte an diesem Tag nocheinmal auf super Beine bauen und kam mit namhaften Fahrerinnen wie Kirchman und Riabschenko über den letzten Berg und belegte auf der 9. Etappe den 22. Platz. Angesichts der Tatsache, dass es die 10-köpfige Aureißergruppe es mit 1 Minute Vorsprung ins Ziel schaffte, war es für sozusagen eine Top-12 Platzierung und damit auch meine beste Performance beim Giro Rosa, den ich dann auf dem Gesamt 23. Platz beendete.

Ich war mit meiner Entwicklung und dem Formaufbau beim Giro sehr zufrieden und habe viel Selbstvertrauen gedankt. Jetzt weiß ich, dass sich mein Training auf den Bergen bezahlt gemacht hat und blicke zuversichtliche Richtung Rio. Bevor es aber nach Rio geht, absolviere ich noch ein 2-wöchiges Höhentrainingslager in Livigno. Hier möchte ich mir den finalen Feinschliff holen. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Sebastian Pfisterer (Donnerstag, 21 Juli 2016 10:33)

    Hallo Martina!
    Ich denke, Du bist den Giro wirklich super gefahren, zumal Du ja nicht ganz fit warst und die Rundfahrt ja auch dem Formaufbau für RIO diente!
    Viel Erfolg und alles Gute für RIO! Wir (Claudia und ich) werden das Rennen am Bildschirm verfolgen und Dir die Daumen drücken! Und pass auf die Asiatinnen auf, die fahren ohne Ankündigung quer durch das Feld!
    Grüße
    Sebastian

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